Hier geht die Post ab: Umbau Hauptpost Basel

 

26. Juni 2025

 

Herzog & de Meuron gestalten die ehemalige Hauptpost neu

Das denkmalgeschützte Post-Gebäude im Herzen der Basler Altstadt wird bis Dezember 2025 komplett umgebaut und verwandelt sich in ein Laden- und Bürogebäude auf sechs Etagen. Der Umbau mitten in der Stadt gestaltet sich aufwendig, zwar ist der Platz um einiges grösser als eine Briefmarke, doch bleibt er eine riesige Herausforderung während der gesamten Renovation. Ein logistisches Unterfangen auf engem Raum, wenn gleichzeitig Rück- und Neubau sowie statische Entkernung stattfinden muss. 

Am Anfang war...

Die Geschichte geht weit zurück: Anstelle des zwischen 1376 und 1378 errichteten Kaufhauses an der Freien Strasse wurde im 19. Jahrhundert die imposante Basler Hauptpost gebaut, die mit eindrucksvoller Architektur das selbstbewusste Auftreten der damals noch jungen Schweizer Post verkörperte – wie übrigens in allen wichtigsten Schweizer Städten. Die historische Schalterhalle beeindruckt mit ihren schlanken Eisensäulen, stummen Zeitgenossen aus der neugotischen Epoche, Bildern von Pionieren aus Wissenschaft und Technik und Wandgemälden des bekannten Basler Malers und Grafikers Burkhard Mangold.

Anforderungen und Bedürfnisse haben sich im Laufe der Zeit geändert, eine Sanierung und Umgestaltung ist in vollem Gange. In enger Abstimmung mit der Denkmalpflege und nach den Plänen des renommierten Architekturbüros Herzog & de Meuron wird das historische Geschäftshaus nun umfassend renoviert, erweitert und in die Zukunft geführt. Unterstützt wird das renommierte Projekt vom Beratungsunternehmen und Nachhaltigkeitspionier Drees & Sommer und von der ERNE AG Bauunternehmung.

Millimeterarbeit zmitzt in der Altstadt

«Hier ist Planung alles», fasst ERNEs Projektleiter Nicolas Egli die Herausforderungen zusammen. Denn wer die Basler Altstadt kennt, weiss: Ein Umbau an dieser Lage fordert logistisches Fingerspitzengefühl. Es gibt kaum Platz für Anlieferungen und Lagerung der nötigen Baumaterialien. Bevor ein Kran gestellt werden konnte, musste der darunter verlaufende Swisscom-Kanal mit Hochspannungsleitungen und Glasfaserkabeln mit Stahlträgern ausgefacht und die Lasten über eine Bodenplatte grossflächig verteilt werden. Auch den guten, alten Birsig Kanal galt es zu berücksichtigen. Und um die Nerven von Anwohnern und Passanten nicht noch mehr zu strapazieren und die Beeinträchtigung der Geschäfte in Grenzen zu halten, stellte das Basler Team von ERNE den Kran kurzerhand nachts auf. Materialien werden erst geliefert, wenn der Handwerker nach ihnen greifen will, quasi just in time, weil die Lagerfläche praktisch nicht vorhanden ist. Das gilt für Aufbau wie Abbruch, alles eine Frage der Disziplin und der exakt getakteten Baustellenlogistik.

Komplexe Pläne, klare Strategie

Die Aufgabenliste von ERNE liest sich anspruchsvoll: Statische Entkernung, Sanierung der Kanalisation im Untergeschoss, dort Mikropfähle einsetzen, zwei neue Treppenhäuser, vier Liftschächte und Steigzonen einbauen, erdbebensichere Wände vom zweiten UG bis zum vierten OG einbauen, Deckenverstärkungen und Deckenertüchtigungen vornehmen. «Die Abhängigkeiten auf dieser Baustelle sind enorm», bestätigt Egli. Um den Überblick über diese komplexe Bausituation zu behalten, teilten Drees & Sommer das Gesamtprojekt in klar definierte Zonen ein. Und ERNE entwickelte das Konzept weiter, so dass Rückbau und Neubau gleichzeitig laufen können – es geht nichts über ein präzises Timing. 

Ein detailliertes Aufgaben- und Arbeitsprogramm dokumentiert die jeweiligen Abhängigkeiten. «Das hat sich bis jetzt sehr gut bewährt», so Nicolas Egli.

Das richtige Gespür fürs Alte und Neue

Ein historisches Gebäude zu renovieren, ohne dass es seinen Charakter verliert, dazu braucht es das richtige Gespür und das nötige Feingefühl der Architekten und aller Beteiligten. «Wände und Decken, die ihre ursprüngliche statische Funktion verloren haben, mussten teilweise abgebrochen werden. Nicht ohne vorher die Lasten mit Linien- oder Punktspriessungen aufzunehmen und umzuleiten», erklärt Egli. «Dies über alle Geschosse und mehrere Arbeitszonen hinweg, danach erfolgen die statische Ertüchtigung und das Entfernen der Spriesse.» Zukünftig werden Kunden und Mitarbeitende über eine attraktive Passage im Erdgeschoss zwischen Freie Strasse und Gerbergasse flanieren. In Anlehnung an den früheren Lichthof entsteht ein überdachter, lichtdurchfluteter Patio, der Tageslicht bis ins Erdgeschoss bringt.

Unter der Bodenplatte tut sich was

2024 wurden parallel zur statischen Entkernung vor Ort geschalte und gegossene Treppenhäuser, Liftanlagen und Steigzonen eingebaut, die die Statik stützen und das Gebäude zugleich erdbebensicher machen. 

Ortbetonbau kann anspruchsvoll sein. Denn unter der neuen Bodenplatte des Patio musste ein Raum für die Mediendurchführung von der Seite Freie Strasse zur Seite Gerbergasse geschaffen werden. Nach dem Aufbrechen der alten Kran-Platte musste wiederum dem Birsig Kanal Rechnung getragen werden. Die ausgehobene Erde wurde genau auf dem zuvor eruierten Kanal-Scheitel platziert – nur so war die Tragfähigkeit gegeben. Anschliessend wurde die Unterlagssohle für die Medienkanäle betoniert. Darauf wurden die Zwischenwände und Auflager gemauert und schliesslich die neue Bodenplatte des Patios vor Ort betoniert. Herausfordernd, aber wo ein Wille ist, ist auch ein Ortbeton.

Erdbebensichere Ästhetik

Das alte Treppenhaus im Trakt Gerbergasse wurde komplett neu gestaltet. Vom zweiten UG bis ins vierte OG sorgt der eingesetzte Ortbetonbau für die Aussteifung des historischen Gebäudes.

Das massgeschneiderte neue Treppenhaus im selben Trakt erhält die Untersicht in Sichtbetonqualität – daraus entsteht ein spannender Kontrast aus historischer Eleganz und moderner Architektur, ganz nach der Philosophie von Herzog & de Meuron. «Die engen Platzverhältnisse und der ambitionierte Zeitplan erfordern beim Ortbeton eine genaue Planung, die gleichzeitig die Arbeitssicherheit garantiert», hält Nicolas Egli fest, «doch genau so wichtig ist die Koordination der diversen Arbeitsgattungen, ein gutes Teamwork und Flexibilität. Denn hier schreiben wir gerade gemeinsam ein neues Kapitel der Basler Stadtgeschichte.»

Voll auf Kurs – es geht zügig vorwärts

Der Umbau verläuft weiterhin erfolgreich und nach Zeitplan. Projektleiter Nicolas Egli ist sehr zufrieden mit dem aktuellen Stand: «Die Hauptarbeiten sind beinahe abgeschlossen und wir freuen uns, zusätzliche Anpassungen und neue Aufträge ausführen zu dürfen. Das zeigt das grosse Vertrauen der Bauherrschaft und Generalplaner in uns und in die Schwesterfirma Husner.»

Derzeit arbeitet das Team von ERNE an neuen Dächern an der Gerbergasse, während bald auch die Dächer an der Freienstrasse folgen. Besonders diffizil ist das geplante Patiodach, bei dem ERNE als Baumeister zusammen mit Spezialisten für Stahlbau und HUSNER als Zimmermann anspruchsvolle Arbeiten in 25 Metern Höhe durchführen wird. 

Komplexe Details stecken in der Ausführung, denn die filigranen Bauteile verlangen den Handwerkern höchste Präzision und Fingerspitzengefühl ab. Die imposanten Raumdimensionen rufen nach hohen Decken und Wänden, doch die aktuell grösste Herausforderung ist der Anschluss der neuen Decken an den alten Baubestand. «Es braucht viel Vorarbeit, denn das Gebäude muss ja möglichst lange gedeckt bleiben», erklärt Egli. Wichtige Meilensteine wurden bereits erreicht, darunter der Abschluss der Baumeisterarbeiten auf der Seite Gerbergasse sowie die Fertigstellung der Patiobodenplatte mit sämtlichen Medienkanälen. In Spitzenzeiten waren bis zu 35 Mitarbeitende gleichzeitig im Einsatz, aktuell sind es etwa 20.

Douze points an ERNE

«Die Baustelle ist eigentlich schon lange genug in Betrieb, doch trotzdem geschieht es immer wieder, dass die Passanten zur Post wollen, kaum bleibt ein Gitter einen Spalt offen», schmunzelt Egli. Trotz gelegentlichen Beschwerden über Staub und Lärm gibt es auch positive Reaktionen, wie zum Beispiel eine Pop-up-Bar, die während des Eurovision Song Contests zwei Wochen lang mitten auf der Baustelle betrieben wurde.

Besonders gespannt ist Egli auf die Fertigstellung der neuen Passage zwischen Gerbergasse und Freienstrasse: «Es entsteht eine attraktive Begegnungszone mit Natursteinbögen auf unseren Betonwänden. Ich freue mich darauf, später einmal mit meiner Familie hier zu spazieren und mich an diese spannende Bauzeit zu erinnern.»

Fünf Fragen an Fabio Pesavento

Fabio Pesavento

Bauingenieur FH SIA, Projektleiter und Teamleiter bei ZPF Ingenieure

www.zpfing.ch

Das Projekt war insbesondere deshalb anspruchsvoll, weil das Gebäudeensemble über die Jahrhunderte weitergebaut und verändert wurde – und nicht alles davon war dokumentiert. Erst durch die Sondierung vor Ort kam zum Vorschein, welche unterschiedlichen Baumaterialien eingesetzt wurden. Unser Auftrag bestand darin, sämtliche Bauteile auf Tragfähigkeit und Gebrauchstauglichkeit nach geltenden Normen zu überprüfen. Eine besondere Herausforderung war dabei die strukturierte Erfassung von Hunderten von Bauteilen unterschiedlichster Art, Bauweise und Alters. Anhand umfangreicher Tabellen mit den massgebenden Eigenschaften und Parametern konnten wir kritische Bereiche schnell erkennen und mögliche Massnahmen definieren. 

Gemäss Studien liegt der grösste Hebel bei den Emissionen in der Erstellung von Gebäuden in den Decken. Bei Neubauten versuchen wir wo immer möglich, sinnvolle Spannweiten und Materialien einzusetzen, um die Effizienz und Nachhaltigkeit zu maximieren. ZPF konnte schon in diversen Projekten neue und besonders nachhaltige Baustoffe wie Holz-Lehm-Decken, Hohlkastendecken sowie Lehmstein einbringen und erfolgreich umsetzen. Im Fall der Alten Hauptpost hat der Grundsatzentscheid, möglichst viel von der bestehenden Bausubstanz zu erhalten, zu besonders geringen Emissionen geführt.

Bei der Tragwerkssicherheit gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Die Stabilität der Konstruktion muss gemäss geltenden Normen gewährleistet werden, da kann ich als Ingenieur nicht einfach ein Auge zudrücken. Gleichzeitig streben wir auch danach, neue, massgeschneiderte Lösungsansätze zu finden, um den gestalterischen Anforderungen gerecht zu werden. Diese werden gemeinsam mit den Architekten erarbeitet und erprobt, bis wir die bestmögliche Option gefunden haben.

Bei einem so komplexen und heterogenen Gebäude wie der Alten Hauptpost kommen computergestützte Simulationen gezielt dort zum Einsatz, wo Handrechnungen an ihre Grenzen stossen – etwa bei der Erdbebenberechnung oder der Konstruktion des Rooftops. Der Grossteil der statischen Überprüfung, beispielsweise die Nachrechnung sämtlicher Holz- und Stahlträger, erfolgt jedoch bewusst «händisch». Parametrisierte Tabellen ermöglichten es uns, rasch und zuverlässig zu beurteilen, wo Eingriffe notwendig waren. Grundsätzlich legen wir grossen Wert darauf, die Tragstruktur zuerst zu verstehen von Hand zu überschlagen, bevor Simulationswerkzeuge zum Einsatz kommen.

Dies ist nicht meine erste ERNE Baustelle in der Region. Schon beim Mehrfamilienhaus «StadtErle» und beim «Switzerland Innovation Park Main Campus» in Allschwil war meine Erfahrung mit den Baustellen-Teams durchwegs positiv. Ich bin froh, dass ich nun auch bei einem so komplexen Projekt, das auf engstem Raum, an exponierter Lage und unter Zeitdruck erstellt wurde, auf ein so kompetentes Team zählen durfte. Der Umgang war stets lösungsorientiert und respektvoll – dies spricht sowohl für die Qualität der einzelnen Teammitglieder als auch für die Firmenkultur bei ERNE!